Gesunde Menschen gibt es nur auf einer gesunden Erde: Berlin muss Gesundheits-, Klima- und Umweltschutz miteinander verbinden

Pressemitteilung von Health for Future Berlin

Sieben Empfehlungen für eine an planetarer Gesundheit orientierte Berliner Stadtpolitik

Die Klimakrise und die ökologische Krise sind Gesundheitskrisen. Unsere natürlichen Lebensgrundlagen wie saubere Luft, gesunde und fruchtbare Böden, genügend und sauberes Wasser, ein erträgliches Klima sowie eine intakte Natur sind unabdingbare Voraussetzungen für menschliche Gesundheit. Viele Maßnahmen zum Schutz der Umwelt und des Klimas gehen außerdem mit vielen Vorteilen für die Gesundheit einher. Daher muss Gesundheit zum einen in die Klima- und Umweltpolitik und zum anderen die gesundheitlichen Auswirkungen der Klima- und ökologischen Krise in nationale und kommunale Gesundheitspolitiken und -pläne integriert werden.

Hitzewellen, Luftverschmutzung, ungesunde Ernährung, sowie mangelnde Bewegung beeinträchtigen jetzt schon in erheblichem Maße die Gesundheit der Berlinerinnen und Berliner. Diese Gesundheitsrisiken, auch das Auftreten von durch Tiere auf den Menschen übertragene Pandemien, hängen direkt oder indirekt mit der Erderwärmung, der Art unserer Mobilität, unserer Landnutzung und der Art unseres Ernährungssystems zusammen. Um das Klima sowie die Gesundheit der Berlinerinnen und Berliner zu schützen, geben wir den politischen Akteuren im Land Berlin folgende sieben Handlungsempfehlungen für die Koalitionsverhandlungen nach der Wahl:

  1. Weichenstellung für einen klimaneutralen Gesundheitssektor Berlin bis 2035:
    Der Gesundheitssektor trägt mit über 5 Prozent zu den nationalen CO2äq-Emissionen in Deutschland bei.  Das muss sich ändern, er muss – wie andere Sektoren auch – zum 1,5-Grad-Ziel des Paris-Abkommens mit eigenen Null-Emissionszielen beitragen. Dafür braucht es auf Landes- wie auf Bundesebene geeignete rechtliche Rahmenbedingungen, die Benennung von Klimabeauftragten und die Verabschiedung von Klimaschutzplänen in allen Einrichtungen des Gesundheitswesens. Das Green Hospital-Programm des Landes Berlin begrüßen wir als ersten Ansatzpunkt zur Förderung energetischer Sanierungen und erneuerbarer Energien im Gesundheitssektor.
    Wir empfehlen, die Aspekte des Klimaschutzes dauerhaft und ausreichend in der Finanzierung des Berliner Gesundheitswesens zu etablieren. Zudem braucht es einen gemeinsamen Pfad zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2035 für alle Berliner Gesundheitseinrichtungen.
  2. Vollständige Entwicklung von Hitzeaktionsplänen und deren Umsetzung in Berlin noch im Jahr 2023:
    Die Klimakrise verursacht längere, häufigere und intensivere Hitzeperioden und stellt für Menschen in Europa das größte direkte klimabedingte Gesundheitsrisiko dar. Nach Schätzungen sterben in Deutschland in nur relativ wenigen Tagen jährlich tausende Menschen im Zusammenhang mit extremer Hitze – zuletzt etwa 4.500 im Sommer 2022. Im vergangenen Jahr wurden mit dem Aktionsbündnis Hitzeschutz Berlin die ersten wichtigen Schritte für Hitzeschutz im Land Berlin gegangen. In den kommenden Jahren muss das Gesundheitsrisiko für alle Risikogruppen, in allen Bezirken, mit Umsetzung durch geeignete Multiplikatoren vor allem aus dem Sozial- und Gesundheitssektor deutlich reduziert werden.
    Wir empfehlen die Erarbeitung eines vollständigen Hitzeaktionsplans noch im Jahr 2023. Wesentliche Akteure aus dem Gesundheitswesen und aus sozialen Einrichtungen sind bei der Planung und Umsetzung zu beteiligen, Verantwortlichkeiten festzulegen und Ressourcen, z.B. für die Koordination, Öffentlichkeitsarbeit und Umsetzung auf Bezirksebene, bereitzustellen.
  3. Umsetzung der WHO-Richtwerte für saubere Luft bis 2030 im Land Berlin:
    Das Ausmaß der Luftverschmutzung und deren gesundheitliche Folgen, wenn auch in Deutschland rückläufig, stellt nach wie vor ein erhebliches Gesundheitsrisiko dar. Basierend auf neuer Evidenz hat die WHO 2021 ihre neuen Empfehlungen für Luftschadstoffe vorgelegt und die früheren Richtwerte zum Teil erheblich abgesenkt.
    Wir empfehlen, dem Berliner Luftreinhalteplan die WHO-Grenzwerte zugrunde zu legen, diesen bis 2030 sukzessive an die Grenzwerte anzupassen und dabei zuerst auf die stark belasteten Gebiete zu fokussieren. Die Ausweitung der Vorranggebiete für die Luftreinhaltung auf das gesamte Stadtgebiet, eine schärfere Regulierung zur Reduktion der Schadstoffausstoßes bei Holzfeuerungsanlagen, die schrittweise Abschaffung des fossil angetriebenen Autoverkehrs in den Innenstädten, die Förderung aktiver Mobilität, die Nachrüstung von Schwerlast-Kraftfahrzeugen mit Partikelfiltern und Begrünung könnten die Luftqualität in Berlin deutlich verbessern.
  4. Schnellere Umsetzung des Berliner Mobilitätsgesetzes mit Fokus auf aktive, gesundheitsfördernde Mobilität:
    42 Prozent der Menschen in Deutschland bewegen sich weniger als von der WHO empfohlen. Die strukturelle Förderung und Priorisierung von aktiver Mobilität wie Radfahren und Zufußgehen führt zu mehr aktiver Bewegung im Alltag und reduziert den verkehrsbedingten Lärm mit deutlichen positiven Auswirkungen auf die körperliche und seelische Gesundheit. Damit können weitere Co-Benefits für Umweltschutz und Gesundheit realisiert werden. Grünere Städte dienen außerdem der Umwelt, dem Hitzeschutz und der Gesundheit und erhöhen die Lebensqualität.
    Wir empfehlen den weiteren beschleunigten Ausbau sicherer Rad- und Fußwege und eines attraktiven ÖPNV, die Ausweitung der Tempo-30 Zonen, Maßnahmen zu einer deutlichen Reduktion des motorisierten Individualverkehrs – insbesondere in der Innenstadt – und eine Umverteilung der Verkehrsflächen zugunsten des nicht motorisierten Verkehrs.
  5. Berliner Ernährungsstrategie aktualisieren und dabei die Planetary Health Diet berücksichtigen:
    Ungesunde Ernährung ist in Europa für ein Drittel aller vorzeitigen Todesfälle verantwortlich. Unser Ernährungssystem verursacht etwa 30 Prozent aller menschengemachten Treibhausgasemissionen und ist somit ein wichtiger Treiber der Klimakrise und des Biodiversitätsverlustes. Der Schlüssel zur Lösung: der Wechsel hin zu einer vollwertigen, überwiegend pflanzenbasierten Ernährung. Die sogenannte „Planetary Health Diet“ besteht aus überwiegend pflanzlichen Lebensmitteln wie Gemüse, Obst, Hülsenfrüchten und Nüssen. Milchprodukte nur in Maßen, und Fleisch – insbesondere rotes Fleisch – nur in sehr geringen Mengen. Die Planetary Health Diet wird von vielen Städten des C-40 Städtenetzwerk, dem auch Berlin angehört, unterstützt.
    Um die Ernährungssicherheit zu gewährleisten und gesunde und ökologische Ernährung im Land Berlin sicherzustellen, sollte die Berliner Ernährungsstrategie den gesundheitlichen und ökologischen Erfordernissen angepasst, mit der Zivilgesellschaft diskutiert und aktualisiert werden. Vor allem sollte die Planetary Health Diet in der Gemeinschaftsverpflegung berücksichtigt werden.
  6. Umwelt-/Klima- und Gesundheitsverträglichkeitsprüfungen für die Gesetzgebung und Beschlüsse des Landes Berlin:
    Der Berliner Koalitionsvertrag sieht einen Klima-Check für alle neuen Gesetzesvorhaben für Berlin vor. Die Klimakrise ist aber nur ein wesentlicher Aspekt neben der vielfältigen Verschmutzung, Umweltzerstörung und dem Biodiversitätsverlust, die alle unsere Lebensgrundlagen bedrohen.
    Wir empfehlen, Umwelt-/Klima- und Gesundheitsverträglichkeitsprüfungen zur Erweiterung der Klima-Checks als Instrument in den Koalitionsvertrag aufzunehmen und im nächsten Schritt Kriterien und Indikatoren zu entwickeln, um diese Prüfungen flächendeckend auf die Berliner Gesetzgebung und Beschlüsse anzuwenden.
  7. Rechtsaufsicht für klimafreundliche Kapitalanlagen im Berliner Gesundheitswesen nutzen:
    Das Land Berlin hat die Aufsicht über die in der Stadt ansässigen berufsständischen Versorgungswerke der Heilberufe in Berlin. Da dem Finanzsektor eine zentrale Rolle für die sozial-ökonomische Transformation zukommt, sollte gemeinsam mit den Versorgungswerken nach Wegen gesucht werden, wie Nachhaltigkeit und Transparenz bei den Kapitalanlagen der Versorgungswerke noch stärker berücksichtigt werden können.
    Um die Versorgungswerke klimaresilienter zu machen und Klimarisiken zu reduzieren, sind regulatorische Hürden zu beseitigen und die Definition risikobehafteter und risikoarmer Vermögensanlagen zu überprüfen und bei Bedarf anzupassen. Hierzu sollte der Austausch mit den berufsständischen Versorgungswerken in Berlin sowie mit den Aufsichtsbehörden anderer Bundesländer gesucht werden. Gegebenenfalls sind Initiativen auf Bundes(rats)ebene zu ergreifen.
Weitere Ausführungen und Konkretisierung der Empfehlungen lesen

Dr. med. Dieter Lehmkuhl, Health for Future Berlin: „Berlin hat bereits 2019 die Klimanotlage ausgerufen. Dementsprechend muss auch notfallgemäß gehandelt werden: Klimaschutz muss in allen Bereichen mitgedacht und umgesetzt werden – um unsere Gesundheit und Lebensgrundlagen zu schützen.“

Dr. Sophie Rabe, Health for Future Berlin: „Berlin hat in der Klimapolitik manche Strategien und Pläne, die in die richtige Richtung gehen. Gesundheit ist dabei aber meist noch nicht hinreichend berücksichtigt. Auch fehlt es vielfach an konkreten Maßnahmen, deren Umsetzung und Priorisierung. Klimaschutz ist Gesundheitsschutz!“

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